Hier ein Text aus einem Diskussionspapier der Cannabiswirtschaft in dem hervorgeht, dass der kommerzielle Handel mit Cannabis-Samen erlaubt ist:
Zur Zulässigkeit des kommerziellen Handels mit Cannabissamen
Ein Diskussionspapier
Zum 01.04.2024 sind die gesetzlichen Regelungen des Cannabiskonsumgesetzes („KCanG“) zum erlaubten privaten
Eigenanbau von Cannabis in Kraft getreten. Damit einhergehend stellt sich in der Praxis die Frage, ob und unter welchen
Voraussetzungen Unternehmen der Cannabiswirtschaft Cannabissamen zum Zwecke des privaten Eigenanbau an Private
vertreiben dürfen.
Dies ist insbesondere auf den Umstand zurückzuführen, dass das Verhältnis der in §Abs. 1KCanG enthaltenen Umgangsregelungen
mit Cannabissamen zu den in § 4 Abs. 2 KCanG enthaltenen besonderen Umgangsregelungen für die Einfuhr
noch nicht geklärt ist. §4 KCanG hat den folgenden Wortlaut:
„§ 4
Umgang mit Cannabissamen
(1) Der Umgang mit Cannabissamen ist erlaubt, sofern die Cannabissamen nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt sind.
(2) Abweichend von Absatz 1 ist die Einfuhr von Cannabissamen zum Zweck des privaten Eigenanbaus von Cannabis nach
§ 9 oder des gemeinschaftlichen Eigenanbaus von Cannabis in Anbauvereinigungen nach Kapitel 4 nur aus Mitgliedstaaten
der Europäischen Union erlaubt.
(3) Die Bestimmungen zum Umgang mit Vermehrungsmaterial nach § 10 sowie Kapitel 4 bleiben von Absatz 1 unberührt.
(4) Cannabissamen, die entgegen Absatz 2 eingeführt worden sind oder eingeführt werden sollen, können sichergestellt
werden; § 2 Absatz 5 gilt entsprechend.“
Die mediale Berichterstattung über die Zulässigkeit des kommerziellen Cannabissamenhandels - eine differenzierte und
argumentativ begründete behördliche oder gerichtliche Praxis gibt es gegenwärtig noch nicht - wird derzeit maßgeblich
von einem vom Bundesgesundheitsministerium mit Stand vom 03.04.2024 veröffentlichten Fragen- und Antwortenkatalog
zum Cannabisgesetz geprägt. Hier führt das Bundesgesundheitsministerium zu der Frage 17, „Wie erhalte ich Cannabissamen
zum privaten Eigenanbau?“ ohne nähere Begründung wie folgt aus:
„Cannabissamen dürfen aus EU-Mitgliedsstaaten zum Zwecke des privaten Eigenanbaus eingeführt werden. Ein Erwerb
über das Internet oder per Fernabsatz und der Versand nach Deutschland ist zulässig. Zudem dürfen bis zu sieben Cannabissamen
oder fünf Stecklinge pro Monat von Anbauvereinigungen an volljährige Nicht-Mitglieder zum Zweck des privaten
Eigenanbaus weitergegeben werden, sofern die Cannabissamen und Stecklinge beim gemeinschaftlichen Eigenanbau
entstanden sind. […].“
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz#:~:text=Cannabissamen%20
d%C3%BCrfen%20aus%20EU%20%2DMitgliedsstaaten,Versand%20nach%20Deutschland%20ist%20zul%C3%A4ssig.
(letzter Abruf: 08.04.2024)
Die Antwort des Bundesgesundheitsministeriums wird vielfach dergestalt interpretiert, dass ein gewerblicher Verkauf
von Cannabissamen im stationären Handel (z.B. in Ladengeschäften im Inland) oder rein inländischer Internethandel (z.B.
ohne Dropshipping1 aus einem Warenlager im EU-Ausland) auf Grundlage von § 4 KCanG nicht zulässig sein soll.
Es gibt seitens des Branchenverbandes erhebliche Zweifel, ob dies die richtige Auslegung des Gesetzes ist - und zwar nicht
nur, weil auch Deutschland ein europäischer Mitgliedstaat ist. Aus Sicht des BvCW steht eine solche Interpretation vor
allem nicht mit dem Wortlaut, der gesetzlichen Systematik, der amtlichen Begründung sowie der verfolgten gesetzgeberischen
Ziele im Einklang. Vielmehr sprechen die deutlich besseren Argumente für einen zulässigen inländischen kommerziellen
Handel mit Cannabissamen.
1 Dropshipping ist eine “Form der Warendistribution, bei der die Ware von einem Glied der Absatzkette, z.B. einem Hersteller (H), direkt, unter Umgehung
des Großhandels (GH), an den Einzelhändler (EH) geliefert wird. Der GH hat nur eine disponierende Funktion, indem Auftrags-, Rechnungs- und
Zahlungsweg über ihn führen.”
Quelle: Altmann, Jörn & Kenning, Peter in Gabler Wirtschaftslexikon. Online unter: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/streckengeschaeft-
43085. Abgerufen am 12.04.2024.
4
ELEMENTE - Band 41 - V 1
Seite
Der BvCW stützt seine gegenwärtige Einschätzung auf die folgenden Erwägungen:
Bevor man sich der Problemstellung rund um § 4 und der Zulässigkeit eines kommerziellen Handels im Einzelnen annehmen
kann, stellt sich in Bezug auf die Vorschrift des § 4 KCanG (Umgang mit Cannabissamen) die Frage, was der Gesetzgeber
im Anwendungsbereich des KCanG unter „Umgang“ versteht.
• Der Gesetzgeber hat im Gesetzestext des § 4 KCanG den in der amtlichen Überschrift verwandten Begriff „Umgang“ nicht
eigens definiert. Insoweit kann jedoch auf die Legaldefinition in § 2 Abs. 1 KCanG (Umgang mit Cannabis) zurückgegriffen
werden, auch wenn es sich bei Cannabissamen um Vermehrungsmaterial (also Samen und Stecklinge, § 1 Nr. 7 KCanG)
und damit ausdrücklich nicht um Cannabis im Sinne von § 1 Nr. 8 KCanG handelt.
• Nach § 2 Abs. 1 KCanG fallen unter den Begriff „Umgang“ insbesondere der Besitz, der Anbau, die Herstellung, das
Handeltreiben, die Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr, die Abgabe und Weitergabe, das sich Verschaffen sowie der Erwerb
und die Entgegennahme von Cannabis. Wenn der Gesetzgeber in der amtlichen Überschrift zu § 4 KCanG vom Umgang
spricht, sind also diese Umgangsformen von diesem Begriffsverständnis erfasst, mithin auch der Handel.
Im weiteren ist festzustellen, dass § 4 Abs. 1 KCanG den bisherigen Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes zu Cannabissamen
nachgebildet ist. Nach der bis zuletzt geltenden, aber mit Inkrafttreten des KCanG gestrichenen Regelung der
Anlage I zum BtMG, Eintrag „Cannabis“ lit. a), sind die Samen von Cannabis von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften
ausgenommen, wenn sie nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt sind, sondern z.B. als Rohstoff oder Tierfutter
genutzt werden sollen (vgl. Patzak, in: Körner/Patzak/Volkmer, 9. Auflage 2019, § 2 BtMG, Rn. 26).
Aus der amtlichen Begründung zu § 4 Abs. 1 KCanG geht erläuternd hervor, dass der Gesetzgeber insoweit nicht nur
ein Potenzial von Cannabissamen für die Verwendung als Saatgut erkannt hat. Er hebt in den vorbereitenden Gesetzesmaterialien
ausdrücklich hervor, dass Cannabissamen beispielsweise auch in der Lebensmittel- und Futtermittelbranche
zulässig sein sollen.
Der Gesetzgeber trifft damit nach verständiger Würdigung eine Systementscheidung für einen grundsätzlich zulässigen
Handel im Bereich der Lebensmittel- und Futtermittelbranche, ohne diese Systementscheidung dabei ausdrücklich auf
diese Industriezweige zu beschränken. Begründet wird die Systementscheidung vom Gesetzgeber mit einem grundsätzlich
niedrigen Risikopotenzial in Bezug auf Cannabissamen, da diese über keinen THC-Gehalt und somit keine psychoaktive
Wirkung verfügen (Bt-Drucksache 20/8704, S. 96, https://dserver.bundestag.de/btd/20/087/2008704.pdf).
Regulierungsbedarf sieht der Gesetzgeber erst mit Blick auf einen potenziell drohenden unerlaubten Anbau von Cannabis
unter Verwendung von Cannabissamen. Dementsprechend ist nach § 4 Abs. 1 KCanG der Umgang (einschließlich des
Handeltreibens) mit Cannabissamen erlaubt, „sofern die Cannabissamen nicht zum unerlaubten Anbau bestimmt sind.“
Dies erscheint angesichts der mit dem KCanG verfolgten Ziele, insbesondere des Gesundheits- und Jugendschutzes sowie
der Bekämpfung des Schwarzmarktes, auch konsequent und nachvollziehbar. Unter welchen Voraussetzungen von einem
unerlaubten Anbau bzw. einem erlaubten Anbau auszugehen ist, ergibt sich im Wege eines Umkehrschlusses aus der
gesetzlichen Systematik:
• Nach § 9 KCanG ist der private Eigenbau von Cannabis erlaubt.
• Ein zulässiger gemeinschaftlicher Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen ist auf Grundlage der Vorschriften
nach Kapitel 4 des KCanG möglich.
• Weitere Formen des erlaubten Anbaus werden im KCanG in Bezug auf Nutzhanf, der jedoch Landwirten vorbehalten
bleibt (§ 31 f. KCanG in Verbindung mit § 1 Nr. 9 KCanG) getroffen.
Eine Bestimmung zum unerlaubter Anbau im Sinne von § 4 Abs. 1 KCanG liegt also nur dann vor, wenn im Rahmen des
Umgangs mit Cannabissamens Absichten verfolgt werden, die nicht auf Einhaltung der erwähnten Regelungen des privaten
oder gemeinschaftlichen Eigenanbaus respektive jene des Nutzhanfanbaus abzielen.
Weitergehende Einschränkungen gehen aus § 4 Abs. 1 KCanG unmittelbar nicht hervor.
Insbesondere wird – wie bisher im Anwendungsbereich des BtMG auch – der auf einen erlaubten Umgang ausgerichtete
kommerzielle Handel gerade nicht per se eingeschränkt, wie die amtliche Begründung zur Vorschrift belegt. In diesem
ELEMENTE - Band 41 - V 1
Seite 5
Zusammenhang kann auch nicht überzeugend entgegengehalten werden, dass das Gesetzesvorhaben in der Säule 1 ausschließlich
den nicht-kommerziellen Anbau regelt und gerade keine kommerziellen Lieferketten für Cannabis geschaffen
werden sollen.
Denn: Der Handel mit Cannabissamen begründet erstens keine kommerzielle Lieferkette für Cannabis, da es sich per
Definition bei Cannabissamen nicht um Cannabis handelt. Die Annahme, dass der Gesetzgeber in der Säule 1 überhaupt
keine kommerziellen Lieferketten schaffen wollte, ist im Übrigen, zweitens, dadurch entkräftet, dass der Gesetzgeber Regelungen
zu Nutzhanf aus dem BtMG ins KCanG überführt hat. Die insoweit übernommenen Regelungen hat bereits der
historische Gesetzgeber des BtMG mit Blick auf eine industrielle Weiterverarbeitung geschaffen (BR-Drucks. 899/95, S. 2).
Aufgrund der vorhandenen Regelungen im KCanG zu Nutzhanf lässt sich daher ersehen, dass der Gesetzgeber im KCanG
ganz bewusst auch kommerzielle Lieferketten geschaffen hat, wenngleich diese sich begriffstechnisch nicht auf Cannabis
beziehen.
In § 4 Abs. 2 KCanG wird sodann abweichend von den Regelungen in § 4 Abs. 1 KCanG die Einfuhr von Cannabissamen
zum Zweck des privaten Eigenanbaus von Cannabis nach § 9 oder des gemeinschaftlichen Eigenanbaus von Cannabis in
Anbauvereinigungen nach Kapitel 4 nur aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union erlaubt.
Die Existenz dieser Regelung wird in der juristischen Kontroverse unter anderem unter Verweis auf die eingangs erwähnten
entsprechenden Ausführungen im Fragen- und Antwortenkatalog des Bundesgesundheitsministeriums als Argument
dafür angeführt, dass nach der gesetzgeberischen Vorstellung ausschließlich Cannabissamen aus dem EU-Ausland bezogen
werden dürfen, ein inländischer kommerzieller Handel hingegen ausgeschlossen sein soll.
Bei sachgerechter Lesart von § 4 Abs. 2 KCanG zeigt sich allerdings, dass diese Regelung lediglich den Anwendungsbereich
von § 4 Abs. 1 KCanG im grenzüberschreitenden Warenverkehr beschränken soll. Die Möglichkeiten der Einfuhr sollen
auf die Einfuhr aus der EU begrenzt werden. Dieses Verständnis findet seine Stütze im Wortlaut der Vorschrift, in der
es heißt „Abweichend von Abs. 1 ist die Einfuhr von Cannabissamen […] erlaubt“. Der Gesetzgeber hat sich ausweislich
der gesetzlichen Begründung zu § 4 Abs. 2 KCanG zur Schaffung dieser Einschränkung gehalten gesehen, da der Import
von Cannabissamen aus Staaten außerhalb der Europäischen Union ausweislich der gesetzgeberischen Argumentation
nach dem EU-Landwirtschaftsrecht nicht möglich ist (Bt-Drucksache 20/8704, S. 97, https://dserver.bundestag.de/
btd/20/087/2008704.pdf).
Der Gesetzgeber verfolgte dementsprechend nicht die Absicht, den vom Wortlaut des § 4 Abs. 1 KCanG mitumfassten
kommerziellen Handel mit Cannabissamen auf die Einfuhrregelung des § 4 Abs. 2 KCanG zu beschränken. Stattdessen
wollte er besondere Vorgaben für den Bereich der zulässigen Einfuhr treffen. Andernfalls wäre nicht verständlich, warum
§ 4 KCanG überhaupt geschaffen mit Verabschiedung des Kabinettsentwurf vom 16.08.2023 im Vergleich zum Referentenentwurf
vom 06.07.2024 um mehrere Absätze ergänzt wurde. Im Referentenentwurf war § 4 KCanG unter der amtlichen
Überschrift „Einfuhr von Cannabissamen“ noch wie folgt gefasst:
„Die Einfuhr von Cannabissamen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum Zweck des privaten Eigenanbaus zum
Eigenkonsum von Cannabis nach § 9 oder des gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Anbaus von Cannabis in Anbauvereinigungen
zum Eigenkonsum nach Kapitel 4 ist erlaubt.“
Die weiteren Regelungen des § 4 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 KCanG – sowie wie sie sich in der in Kraft getretenen Fassung
des KCanG befinden – waren im Referentenentwurf mithin nicht enthalten. Der im Referentenentwurf enthaltene § 4
KCanG hat deswegen im Rahmen des Verbandsstellungnahmeverfahrens erhebliche Kritik auch wegen einer drohender
Inländerdiskriminierung und massiver Wettbewerbsnachteile der in Deutschland ansässigen Cannabiswirtschaft erfahren
(siehe hierzu Stellungnahme des BvCW zum Referentenentwurf Cannabisgesetz (CanG) des BMG vom 05.07.2023, S. 20,
abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/
Stellungnahmen_WP20/CanG/branchenverband_cannabiswirtschaft.pdf, letzter Abruf: 08.04.2024).
Wäre nach den Vorstellungen des Gesetzgebers lediglich eine Einfuhr von Cannabissamen als Handelsform zulässig, hätte
§ 4 Abs. 1 KCanG keine ersichtliche Existenzberechtigung. Auch die Erweiterung der weiteren Absätze in § 4 unter Anpassung
der amtlichen Überschrift zu „Umgang mit Cannabissamen“ spricht deswegen deutlich dafür, dass der Gesetzgeber
sich bewusst für die Etablierung kommerzieller nationaler sowie internationaler EU-Lieferketten entschieden hat.
6
ELEMENTE - Band 41 - V 1
Seite
In der amtlichen Begründung zu § 4 Abs. 2 heißt es dies bestätigend, dass Cannabissamen durch Erwachsene innerhalb
der EU (zu der auch Deutschland zählt) im Wege des Internethandels oder sonstigen Fernabsatzes beschafft werden dürfen
(Bt-Drucksache 20/8704, S. 97, https://dserver.bundestag.de/btd/20/087/2008704.pdf).
Der Gesetzgeber begründet diese Systementscheidung zugunsten des zulässigen Handels mit Cannabissamen mit dem
internationalen Rechtsrahmen des Völker- und des Europarechts. Er stellt fest, dass Cannabissamen nicht in den Anwendungsbereich
der völkerrechtlichen Suchtstoffübereinkommen fallen. Nach den zutreffenden Darstellungen in der
amtlichen Begründung definiere gerade das Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe den Ausdruck „Cannabis“
als die Blüten- oder Fruchtstände der Cannabispflanze, denen das Harz nicht entzogen worden ist, wobei mit solchen
Ständen nicht vermengte Samen oder Blätter ausdrücklich von dem Begriff ausgenommen werden. Der Gesetzgeber
betont hierbei, dass eine abweichende Definition des Cannabisbegriffs
„in keinem anderen völker- oder europarechtlichen Regelungstext enthalten [ist], sodass die aus dem Einheit-Übereinkommen
von 1961 zitierte Begriffsbestimmung von ,Cannabis´ in das übrige Völker- sowie das Europarecht ausstrahlt und zu
übertragen ist.“
Bt-Drucksache 20/8704, S. 97, https://dserver.bundestag.de/btd/20/087/2008704.pdf
Aus den vorstehenden Erläuterungen ergibt sich also, dass der Gesetzgeber – entsprechend seinem ursprünglich im
Koalitionsvertrag aus 2021 formulierten Ziel, Cannabis möglichst umfassend zu legalisieren und einen regulierten Rahmen
zu schaffen – den vorgegebenen internationalen Rechtsrahmen möglichst weitgehend ausschöpfen wollte, wenngleich er
erkennen musste, dass nach eingehender Prüfung dieses Rechtsrahmens – jedenfalls nach seinen bisherigen Bewertungen
– internationale Einschränkungen betreffend eine umfassende Legalisierung von Cannabis bestehen. Diese Einschränkungen
gelten aber gerade nicht für Cannabissamen. Vor dem Hintergrund, dass der Erwerb von Cannabissamen niedrigschwellig
ermöglicht werden soll, sind keine nachvollziehbaren Gründe gegen einen inländischen kommerziellen Handel
ersichtlich.
Der BvCW tritt deswegen für eine Auslegung von § 4 KCanG ein, die den Wortlaut, die Systematik, die amtliche Begründung
sowie die mit dem KCanG verfolgten Ziele angemessen berücksichtigt und keine unbegründeten, nicht nachvollziehbaren
Einschränkungen für die in Deutschland ansässige Industrie durch eine Gesetzesinterpretation schafft, die ausschließlich
einen kommerziellen Bezug von Cannabissamen aus dem EU-Ausland zuließe.
Nur durch eine derartige verfassungskonforme Auslegung wird dem Grundrecht der Berufsfreiheit- und der Berufsausübungsfreiheit
(Art. 12 Abs. 1 und 2 GG) ausreichend Rechnung getragen. Eingriffe in die Berufsfreiheit müssen sich
am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Das bedeutet, dass ein Eingriff in das Grundrecht
durch eine gesetzliche Regelung nur gerechtfertigt ist, wenn sie einen legitimen Zweck verfolgt und sie zur Verfolgung
dieses Zwecks geeignet, erforderlich sowie angemessen im engeren Sinne ist. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem KCanG
insbesondere das Ziel eines verbesserten Gesundheits- und Jugendschutzes sowie die Bekämpfung des Schwarzmarktes.
Durch die Beschränkung des kommerziellen Handels mit Cannabissamen ausschließlich auf eine Einfuhr aus dem EU-Ausland
lassen sich die mit dem KCanG verfolgten Ziele allerdings nicht besser erreichen als dies bei Zulässigkeit auch eines
inländischen Handels der Fall wäre. Die Beschränkung des kommerziellen Handels mit Cannabissamen auf die Einfuhr aus
dem EU-Ausland wäre demnach nicht zur Erreichung der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten legitimen Ziele geeignet.
Eine restriktive Auslegung des § 4 KCanG mündete daher in einem Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.